7 - Baumleberliebe

Baumleberliebe von Sophie Reyer
Ein Theaterpoem mit imaginären "Bühnenbildern" von Harald Häuser
ein on-line "Theaterbesuch"
all copyrights reserved
Direkt zum Seiteninhalt
7. Szene

Angst

Die Motten schwirren in der Wohnung herum.

Remote- Control (Empfängerin), Dogge: Du hast Angst, Masse.
Du hast Angst, Tiere.
Angst haben die Handgelenke.
Die verklebten Gefieder.
Die Kehlköpfe sind nur noch Knödel aus Stichen.
Die Nägel Nadeln. Stigmata von innen nach außen.  
Du hast Angst. Fluoride in der Zahnpasta.
Du hast Angst. Anorexie.
Das Dumpfe hinter den Schläfen pochend.
Das Schönheitsideal als verkümmerter Altar im Hinterzimmer.
Der Fernseher als einziger Nabel dein Fenster zur Welt.

Pause.

Vogelmottenchor: Sprich. Bitte sprich.  

Remote- Control (Empfängerin): Ich rufe von daher zu dir hin wo die Macht liegt.

Vogelmottenchor: Wer bist du.

Remote- Control (Empfängerin): Kriegst mich nicht.

Vogelmottenchor: Was heißt das.

Remote- Control (Empfängerin): Geschickt verkleide ich mich. Ich schreibe die Geschichte um im Sinne der Queen of the Biomacht. So, dass keiner sehen kann, was die wirklichen Fakten sind. Wer an der Macht ist. An den Sätzen der Dokumente geschraubt. Und an ihren Zahlen. Du kannst mich nicht fassen. Bin Flügelschlag. Zerfaser dir in den Händen. Spalte dich und entfalte mich neu. No chance, babybirds.

Vogelmottenchor: Wir heißen wie.

Remote- Control (Empfängerin): Was weiß ich.

Vogelmottenchor: Haben wir keinen Namen.
Wie: Mottenmünder.
Wie: Flatterkinder.
Wie: Vampyrellas.

Remote- Control (Empfängerin): Eure Gesichter sind im Sinne des Opferschutzes gestrichen. Ein Balken statt Augen. Wie die aus den Burkas raus. Nur umgekehrt. Schlau verschoben. Verdreht an den Rändern.

Vogelmottenchor: Und wir heißen wie.

Remote- Control (Empfängerin): Du heißt Masse.

Vogelmottenchor: Das geht nicht.

Remote- Control (Empfängerin): Warum.

Vogelmottenchor: Wir sind nicht eins.
Sind viele schnelle Flügelschläge.
Sind Mottenchor.
Oder.

Remote- Control (Empfängerin): Das Mehr an Leben, das ausgelöscht werden soll.

Vogelmottenchor: Wie geht das.

Remote- Control (Empfängerin): In dem du nicht vorkommt in diesem Raster. So sorry.

Vogelmottenchor: Und Masse, was heißt das.

Dogge: Sie alle sind Masse. Ein jeder ist Masse, es gibt sie nicht.

Vogelmottenchor: Wir sind Motten.
Sind Mottenchor.
Oder.
Lass los.

Remote- Control (Empfängerin): Das geht nicht.

Vogelmottenchor: Warum nicht.

Remote- Control (Empfängerin): Ich rufe von innen nach dir.
Sitz dir unter der Hautoberfläche.
Kauere am Gaumenzäpfchen.
Zerhock dir den Afterrand.

Remote- Control (Empfängerin), Dogge: Du bist Angst, Masse.
Zunächst züchtest du dir einen Schock heran.
Bist dann Scham. Zwang. Dann Angst.
Angst als Zittern.
Angst als Schwitzen.
Angst wie riesige Schwimmohren, die dich nicht an der Oberfläche halten.
Angst als Schleim im Mund. Als Schluckgeschwulst. Schlachtfeld am Gaumensegel.  

Vogelmottenchor: Wir sind keine Masse.
Sind wir nicht.
Sind Vampyrellas.
Flatterkinder sind wir.

Remote- Control (Empfängerin): Du bist im Terror, Masse. Das geht so:

Remote-Control drückt auf die Fernbedienung. Einige der Motten fallen auf den Wohnzimmerboden, andere fliegen aus dem Fenster. Daphy ist als Einzige wach und beobachtet die Motten. Es dämmert, der Morgen graut. Neue Leber betritt die Wohnung, sieht Daphy und umarmt sie.
Zurück zum Seiteninhalt